Ein bedeutsamer Traditionsstrang ist die breit ausdifferenzierte Bewegung des Anarchismus. Im Zentrum des Anarchismus, der von vielen seiner Vertreter(innen) auch als “Iibertärer Sozialismus” definiert wird, steht der sozialistische Freiheitsgedanke und die Abschaffung des Staates, der als Zwangsgewalt verstanden wird. Wesentlich sind die Freiheit des Individuums und seine Assoziation mit anderen. Gerade nach dem Ende der staatssozialistischen Experimente ist es wichtig, sich der Kritik des Anarchismus an einer “Verstaatlichung” des Sozialismus zu erinnern und die Anfragen nach individueller Freiheit, kommunitärem Aufbau, Selbstverwaltung und Dezentralisierung aufzunehmen.
Ein pluraler Marxismus, verstanden als Soziologie, d.h. als Theorie gesellschaftlicher Entwicklungen, ist für uns überaus nützlich und bei der Beurteilung gesellschaftlicher Vorgänge unverziehtbar. Im Gegensatz zu denen, die an den Marxismus glauben und denen, die von uns eine Distanzierung vom Marxismus verlangen, halten wir an den Errungenschaften von 150 Jahren marxistischer Theorie- und Strategiebildung fest.
Gegenüber der totalitären Ausprägung des Leninismus, die kenntlich machte, zu welchen fürchterlichen Konsequenzen Systeme führen können, in denen der Zweck die Mittel heiligt und in der die bürgerliche Demokratie ersatzlos abgeschafft wurde, statt sie zu einer sozialistischen Demokratie weiterzuentwickeln, vertreten wir den Gedanken und das ursprüngliche Konzept einer sozialistischen Demokratie. Streikrecht, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, Meinungsfreiheit und die Freiheit der Reise sind kein Luxus, sondern unverzichtbare Voraussetzungen eines Sozialismus, für den sich Menschen engagieren können. Auch im Sozialismus wird es weiterhin einen Streit unterschiedlicher Positionen geben. Diese Positionen bedürfen ihres organisatorischen Ausdrucks, seien es nun Parteien oder andere Organisationsformen.
Als 1899 und 1900 mit Christoph Blumhardt, einem Pietisten, und Paul Göhre, einem Liberalen, unabhängig voneinander zwei bekanntere evangelische Theologen der SPD beitraten, begann eine Bewegung zu entstehen, die ihren Ausdruck und ihre Form im religiösen Sozialismus fand. Von Anfang an kamen religiöse Sozialistinnen und Sozialisten aus den verschiedensten theologischen Lagern des jüdisch-christlichen Spektrums.
Es gehört zu den Kennzeichen des religiösen Sozialismus, selbst keine neue theologische Richtung geschaffen zu haben. Nach dem 1. Weltkrieg bildeten sich in Baden, Thüringen, im Rheinland und in Norddeutschland Gruppen religiöser Sozialist(inn)en. Im Dezember 1919 entstand in Berlin die erste Organisation, die den Namen Bund der religiösen Sozialisten trug, und bald folgten weitere Gründungen. 1924 schlossen sich diese regionalen Verbünde zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, und 1926 entstand daraus der Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands (BRSD).