Allgemeine Zielsetzung

Als Christinnen und Christen sind wir Teil einer Bewegung, die auf Sozialismus zielt. In unserer Arbeit nehmen wir Bezug auf biblische Traditionen und Erfahrungen. Wo Menschen für eine gerechte und humane Gesellschaft kämpfen und sich nach Befreiung von Unterdrückung sehnen, erkennen wir die Hoffnung auf das Reich Gottes, von der der Schweizer religiöse Sozialist Leonhard Ragaz sagte: „Gottes Reich ist nicht von dieser Welt, aber für diese Welt“. Wir wissen: Das Reich Gottes ist uns nicht verfügbar; dennoch ist es unsere Aufgabe, daran mitzuarbeiten. Den Weg des Sozialismus sehen wir als eine unserer Möglichkeiten, am Reich Gottes mitzuarbeiten.

Wo wir als ChristInnen innerhalb von Kirchen und Religionsgemeinschaften leben, achten wir darauf, dass sich in ihnen die folgenden biblischen und theologischen Impulse durchsetzen können:

  • Option für die Armen (d.h. unter anderem Zuwendung zu den gesellschaftlich Ausgegrenzten und Hinwendung zum Fremden)
  • Bewahrung der Schöpfung
  • Gesellschaftliche Arbeit in der Nachfolge Jesu und der Jesusbewegung

Als religiöse SozialistInnen sind wir für alle theologischen Richtungen offen, die keinen Absolutheitsanspruch erheben und sich einem rationalen Denken nicht verschließen. Als religiöse SozialistInnen setzen wir uns ein für eine radikale und grundsätzliche Veränderung der privatkapitalistischen Gesellschaftsordnung zu einer sozialistischen Gesellschaft durch einen Prozess der Solidarisierung, Selbstbestimmung und Vergesellschaftung. Unser kapitalistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist über Privateigentum an den Produktionsmitteln und ungezügelte Konkurrenz an Profitmaximierung und Warenproduktion orientiert.

Dadurch wird sie den Bedürfnissen der Menschen und dem, was sie benötigen, nicht gerecht. Diese Gesellschaftsordnung produziert Arbeitslosigkeit, Armut, ökologische Zerrüttung und weltweite Verelendung, selbst bei gleichzeitig steigenden Profitraten. Ihre periodisch auftretenden Krisen löst sie durch Problem-Abwälzung auf die Schwächsten. Wir sind der Überzeugung, dass der Kapitalismus auch in Zukunft diese von ihm erzeugten und reproduzierten Probleme lediglich zu verwalten, nicht aber zu lösen imstande sein wird, da die Probleme strukturell bedingt sind und systemischen Charakter haben.

Die Überwindung des Kapitalismus und der Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung erfasst die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Sie verändert nicht nur das Eigentum an Produktionsmitteln, sondern betrifft ebenso die Formen und die Inhalte des menschlichen Zusammenlebens. Der Bereich der Geschlechterverhältnisse, der Erziehung, der Ausbildung, der Sozialbezüge, der Stellung im Arbeitsprozess, die Rolle der Medien und der Kulturindustrie, der Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen sind in der Geschichte der sozialistischen Bewegung nur unzureichend bedacht worden. Für eine neue sozialistische Bewegung, zu der wir uns zählen und an deren Stärkung wir mitarbeiten, sind diese Bereiche zentrale Fragen und Aufgaben, an denen sich die Legitimation und die Chancen einer sozialistischen Alternative entscheiden.

Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen

-Lukas 1, 52ff

Hauptziele und Perspektiven unserer Arbeit

Der BRSD versteht sich als linke Bündnisorganisation und ist unabhängig von den Parteien. Wir unterstützen alle Bestrebungen in den Parteien, die auf soziale Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zielen. Wir sehen für die Zukunft die Notwendigkeit der Herausbildung eines fortschrittlichen Blocks über die Parteigrenzen hinweg. Dieser fortschrittliche Block soll aus einer ökologisch neuorientierten ArbeiterInnenbewegung, den sozialen Bewegungen und den progressiven Teilen der Kirchen entstehen. Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und das Verhältnis zu Parteien bestimmt sich durch unsere Grundauffassung, wie sie in unseren Leitsätzen definiert sind.

Wir fühlen uns mit Gruppen und Bewegungen verbunden, die in basisdemokratischen Strukturen und in der Tendenz in die gleiche Richtung arbeiten wie wir. Dazu rechnen wir Friedensgruppen, Umwelt- und Frauengruppen, Eine-WeltInitiativen und globalisierungskritische Gruppen, kritische Gruppen in Schulen und Hochschulen, Selbstorganisationen von Erwerbslosen u.v.m.

Ebenfalls wollen wir alternative Netzwerke unterstützen und in ihnen mitarbeiten. Wir ermuntern unsere Mitglieder, den Schritt zur Organisierung in ihrer zuständigen DGB-Gewerkschaft zu tun und sich möglichst aktiv darin zu beteiligen. Dies mit der Absicht, auch im DGB für die klassischen gewerkschaftlichen Ziele einzutreten: die Demokratisierung der Wirtschaft, Humanisierung der Arbeitswelt, Ausweitung der Mitbestimmung und für eine stärker konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik. Wir unterstützen alle Bestrebungen, die Mitgliedsrechte auszuweiten, den Einfluss der Basisgliederungen zu stärken und in den Gewerkschaften eine Kultur des Streites, der Selbstverwaltung und der Gleichberechtigung der Geschlechter, der Nationalitäten und der Generationen zu erreichen.

Am biblischen Auftrag der Kirche, als Gemeinde der Jesus Nachfolgenden, wie er uns z.B. in der Bergpredigt entgegentritt, messen wir das Erscheinungsbild der Kirche in der spätkapitalistischen Gesellschaft. Wir möchten zu ihrer weiter notwendigen Erneuerung und Umkehr beitragen. Noch immer stehen viele ChristInnen gesellschaftlichen Systemen und Parteien nahe, die unter Berufung auf vorgeblich christliche Werte soziale und ethnische Ungleichheit oder sogar politische Unterdrückung befürworten; noch immer finden sich ChristInnen, die unter Hinweis auf äußere Feinde eine Politik der militärischen Stärke, der wirtschaftlichen und politischen Abschottung in der “Festung Europa”, der Rassendiskriminierung und der Privilegiensicherung betreiben. Wir sehen u.a. unsere Aufgabe darin, in den Kirchen die Interessen der Unterprivilegierten bei uns und
in der Welt zur Sprache zu bringen, die Ursachen von Armut, Verelendung und ökologischer Krise zu benennen und für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft zu arbeiten. Wir solidarisieren uns mit allen Bestrebungen in den Kirchen, die bisherige Rolle der Kirche im Kapitalismus zu überdenken und diese von einer Volkskirche zu einer Kirche des Volkes weiterzuentwickeln. Wir orientieren uns am Priestertum aller Gläubigen und wenden uns gegen eine “Pastorenkirche”.

Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit

-2.Tim 1,7

Konkretionen

Die folgenden Ausführungen sind auf unsere augenblickliche Situation bezogen und bedürfen der regelmäßigen Fortschreibung. Vordringlich ist eine Erweiterung und Festigung unserer Basis, insbesondere durch folgende Aktivitäten:

  • Aufbau von lokalen und regionalen Basisgruppen,
  • Arbeit in thematischen Projektgruppen,
  • Kooperation mit anderen Gruppen und Mitarbeit in Netzwerken wie z.B. der “Initiative Kirche von unten” und dem Attac-Netzwerk,
  • Informationsarbeit durch Tagungen,
  • Beteiligung an Evang. Kirchentag und Katholikentag,
  • Herausgabe einer Zeitschrift und von Info-Material
  • Vertiefung und Präzisierung des Selbstverständnisses und der Zielsetzungen religiöser Sozialist(inn)en

In Einzelveranstaltungen, Tagungen und gegebenenfalls Freizeiten suchen wir nach Erneuerung im Glauben. Dabei sollen Umkehr und persönlicher Glaube immer in ihre politische Tragweite und Auswirkung eingebunden bleiben. Individuelle Hoffnung und gesellschaftliche Wirksamkeit auf das Reich Gottes hin bilden eine Einheit. Für unsere Arbeit erachten wir als entscheidend, dass die Erfahrungen der Einzelnen im Beruf, in der Ausbildung und in der kirchlichen wie gesellschaftlichen Praxis in die Gruppe und den Gesamtbund eingebracht werden. In den BRSD-Gruppen wird durch Bildungsarbeit, Diskussion und Reflexion versucht, die gesellschaftliche Wirklichkeit von der religiös-sozialistischen Sichtweise her zu betrachten und zu verstehen. Die Erfahrungen der Mitglieder werden hier gebündelt und bilden die Grundlage politischer und theologischer Stellungnahmen. Wichtig ist die lebendige Wechselbeziehungvon Theorie und Praxis. Richtschnur ist für uns der Dreischritt der Befreiungstheologie: Sehen – Urteilen – Handeln.

Im Rahmen unserer Möglichkeiten nehmen wir zu politischen und theologischen Fragen Stellung. Wir erheben unsere Stimme dort, wo wir die Überzeugungen und die Werte der Humanität des Sozialismus und der Bibel beider Testamente verletzt sehen. Gegen die herrschende Meinung, die immer noch weitgehend die Meinung der Herrschenden ist, versuchen wir einen kleinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten.