Klaus Fuchs- Kittowski: Emil Fuchs – Dem Freund des arbeitenden Volkes, dem Christ, Sozialist und Antifaschist zum 150.Geburtstag
Wir sind heute hier am Ehrengrab der Stadt Berlin für Emil Fuchs zusammengekommen, um eine Jahrhundertgestalt zu ehren.
Einen Menschen, der ein Jahrhundert durchlebte, welches vom Historiker Eric Hobsbawm als das „ Zeitalter der Extreme“ bezeichnet wurde. Er lebte im ständigen Ringen mit diesen Extremen, für soziale Gerechtigkeit und Frieden, gegen Faschismus, Rassismus und Krieg.
Der Grabstein vor dem wir stehen, an dem wir unsere Kränze und Blumen niederlegen wollen, trägt die Inschrift einen Satz aus einem Brief des Sohnes Klaus an den Sohn Gerhard anlässlich des Todes ihrer Schwester, meiner Mutter, Elisabeth Fuchs-Kittowski:
„Wir haben uns den Weg nicht so schwer gedacht, aber wir würden ihn wieder wählen.“
Überblickt man diesen Lebensweg von Emil Fuchs, so kann man grob vier Perioden seiner Wirkens unterscheiden.
- Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg
- Die Zeit der Weimarer Republik
- Die Zeit des Faschismus
- Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, in der BRD und in der DDR
Dem kann hier natürlich nicht im Detail nachgegangen werden. Vieles hat er selbst in seiner Autobiographie „ Mein Leben“ dargestellt.Hier sei für jede Periode nur ein Schlagwort genannt.
Zu 1. Pfarrer in der Industriegemeinden Rüsselsheim, Verleihung des Ehrendoktors:
Im Jahr 1914, kurz vor Kriegsausbruch erhält Emil Fuchs, Pfarrer in Rüsselsheim, erst 40 Jahre alt, der Ehrendoktor der Theologischen Fakultät Gießen mit der Begründung:
„Dem treuen Freund des arbeitenden deutschen Volkes,
dem wissenschaftlichen Dolmetscher des deutschen
Idealismus dem tapferen Kämpfer für deutsches Christentum.“
Zu 2. Blick in den Abgrund, besondere Empfindsamkeit gegenüber dem aufsteigenden Faschismus:
Aus dem Kreis, Freunde von Emil Fuchs, die sich schützend um ihren von der Reaktion in Eisenach angegriffen Pfarrer gestellt haben, wurde ein Zweig der Bewegung der religiösen Sozialistinnen und Sozialisten in Deutschland. In ihrer Zeitschrift „Blätter des arbeitenden deutschen Volkes„ analysieren sie die politische Situation in Deutschland und warnen frühzeitig, noch vor den etablierten Parteien, vor der Gefahr des aufsteigenden Faschismus in Deutschland. Grundlage dafür war die klare Orientierung der Quäker und der religiösen Sozialisten an der christlichen Friedensbotschaft.
Zu 3. Aktiver Widerstand, Fluchthilfe, Auslegung des Neuen Testaments, Quäker, Bewegung der religiösen Sozialisten:
Eine Gruppe führender religiöser Sozialisten, wie Harald Pölchau, Ernst von Harnack, Bernhard Göring, Adolf Reichwein schlossen sich dem Kreisauer Kreis an. Zwischen den Widerstandsgruppen von Bernhard Göring und Ernst von Harnack war Emil Fuchs der Verbindungsmann. Mit Harald Poelchau, dem Gefängnispfarrer von Moabit und Plötzensee, begann Emil Fuchs die Fluchthilfe für politisch und rassisch Verfolgte zu organisieren. Als erstes kaufte er dafür, mit den IG-Farben-Aktien, die er von seinem Schwiegervater, dem berühmten Agronomen Paul Wagner zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, zwei Autos. Zum Schluß waren es sechs Autos und eine Tankstelle, die von Gerhard Fuchs und Gustav Kittowski gewartet und gefahren wurden, zu deren Kauf auf den Straßen Berlins gesammelt worden war. Mit dem Tag seiner Einlieferung in das Polizeigefängnis Alexanderplatz beschäftigte sich Emil Fuchs mit der Neuübersetzung und Auslegung des Neue Testaments, das in der ganzen Zeit des Faschismus in Form von kleinen illegalen Schriften an die Quäkerfreunde und religiösen Sozialisten verschickt wurde, die damit in ihrem Widerstand gegen den Faschismus gestärkt wurden.
Zu 4. Enttäuschung und Hoffnung, Aufbau der antifaschistisch- demokratischen Ordnung und werdender Sozialismus, Marxismus und Christentum, Notwendigkeit des Dialogs.
Es war für Emil Fuchs eine große Enttäuschung zu erleben, dass der fürchterliche Vernichtungskrieg, mit all dem Elend und der großen Not, die er auch Deutschland gebracht hat, nicht zu einem wirklichen Umdenken, nicht zur Bereitschaft für eine wirkliche Neugestaltung der Gesellschaft und vor allem auch nicht zu Abrüstung in der Breite des deutschen Volkes geführt hatte, sondern es sehr bald zur Wiederaufrüstung Deutschlands und zu einem Wettrüsten auf der ganzen Welt kam, das, wie wir erleben, bis heute noch verstärkt anhält. Bei allen Fehlern und Schwierigkeiten wurde aus seiner Sicht mit dem Aufbau der antifaschistische-demokratischen Ordnung und dem Beginn einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wenigstens der Versuch unternommen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Zum Gelingen eines wirklichen Neubeginns gehörte für ihn aber unbedingt, dass Christen und Marxisten dafür voneinander lernen müssen.Der notwendige Dialog zwischen Christen und Marxisten beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und die Sicherung des Weltfriedens, waren seine zentralen Themen in der Nachkriegszeit. Am 13. Mai 1964, zu seinem 90. Geburtstag, also heute vor genau 60 Jahren, wurde Emil Fuchs von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin der Grad eines Doktors der Theologie ehrenhalber verliehen. Zugleich wurde ihm der 1914 von der Theologischen Fakultät der Universität Gießen verliehene Ehrendoktor erneuert. Dies also mitten im Kalten Krieg. Die Verleihungen erfolgten in Würdigung der besonderen Leistungen von Emil Fuchs,
“ dem unermüdlichen Rufer nach sozialer Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Völkern, dem tapferen Verteidiger der Menschlichkeit ohne Ansehen der Religion und der politischen Einstellung, dem weisen und geduldigen Lehrer und Freund aller die nach echter Bildung und Erkenntnis der Wahrheit streben.“
heißt es in der Berliner Urkunde von 1964.
Somit wurden seine bleibenden Verdienste schon vor sechzig Jahren zusammengefasst. Diese hatten einen tieferen Grund. Er schreibt darüber 1929 in seinem programmatischen Artikel: „Von Schleiermacher zu Marx“, zur Gründung der Bewegung der reglosen Sozialsten:
„ Auf einmal wusste ich, dass die letzte Gewissheit des Glaubens nur in den Aufgaben zu finden sei, die mit der Welterschütterung gegeben ist, in der wir leben.“
Er stellt sich diesen Aufgaben, die sich aus der Welterschütterung ergeben, in der wir leben. Sein fester Glaube gab ihm die Kraft diesen so schweren Weg, mit viel Leid und vielen Opfern, in der Hoffnung auf eine bessere Welt zu gehen.
Gerade in unserer Zeit, im Zeitalter der verstärkten Fortsetzung der Konflikte, würde Emil Fuchs seinen konsequenten Pazifismus mit aIl seiner Leidenschaft vertreten und uns zurufen:
Wer die Welt wirklich verbessern unseren Planeten retten will, der muss den Hass und den Krieg grundsätzlich überwinden!