Brandmauer der Kirchen gegen den Rechtsextremismus in der AfD

Franz Segbers

Nie zuvor haben sich die Kirchen in Deutschland so einmütig und deutlich gegen den Rechtsextremismus und die AfD als seine parlamentarische Vertretung gewandt wie in diesem Jahr: Es sind klare Worte von beeindruckender Eindringlichkeit für die Menschenwürde, wenn die Deutsche Bischofskonferenz erklärt: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar.“ Sie hat vor der Wahl der AfD gewarnt. „Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar.“ Sie belässt es aber nicht bei einer scharfen Abgrenzung, sondern buchstabiert die Folgen bis zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen durch: „Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.“ Die römisch-katholische Kirche spricht für ihren Bereich ein Verbot aus, das man sich auch für den politischen Bereich wünscht. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte sich bereits zuvor ähnlich deutlich positioniert. Die Lutherische Bischofskonferenz sagt unumwunden: „Wer die AfD wählt, unterstützt eine Partei, die das christliche Menschenbild mit Füßen tritt, programmatisch mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen das Gebot der Nächstenliebe verstößt und mit ihren Hetzparolen den Geist der Gemeinschaft vergiftet. Diese Partei will uns die Mitmenschlichkeit, unseren Nächsten die Menschenwürde und Gott die Ehre entreißen.“ Auch Bischof und Synodalvertretung der altkatholischen Kirche haben unmissverständlich „jegliche rechtsextremistische Einstellung als unvereinbar mit dem christlichen Glauben“ erklärt. Es gibt also eine breite ökumenische Übereinstimmung.

Die Zeit der unsäglichen Hirtenbriefe mit unumwundener Wahlwerbung für die CDU/ CSU sind gottseidank vorbei. Solcher Art sind die ökumenischen Erklärungen auch nicht, die sich gegen die AfD richten. Die Kirchen haben aus ihrem Versagen und Verirrungen im NS-Regime gelernt und verstanden, dass sie sich dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft wortmächtig entgegenzustellen müssen. Sie nennen die AfD beim Namen, wenn sie die Menschenwürde als Angelpunkt des christlichen Menschenbildes und Anker des Grundgesetzes verteidigen.

Die Kirchen richten ihr warnendes Wort keineswegs nur nach außen. Denn es gibt auch Christen, die sich in der AfD engagieren. Für manche Konservative ist die AfD die einzige Partei, die für christliche Werte wie den Lebensschutz oder den Schutz von Ehe und Familie eintritt und sich gegen Gender oder die Ehe für alle ausspricht. Dabei übersehen sie, dass diese Werte von einer Partei vertreten wird, die völkisch-nationalistisch ist. Ihr geht es gerade nicht um den Schutz des ungeborenen Lebens, wie die Kirchen ihn verstehen. Sie vertritt eine zutiefst unchristliche Bevölkerungspolitik, die nicht das ungeboren Leben schützen will, sondern nur deutsche Kinder. Wer Leben schützen will, der muss auch das geborene Leben von Migrantenkindern schützen! Auch wenn mit dem christlichen Abendland argumentiert wird, können menschenfeindliche Gesinnungen nicht mehr normal konservativ sein. Es ist ein Konservativismus, der Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens in der Substanz verändert, sich gegen die Moderne und gegen den Islam positioniert. Hinter dem Label „konservativ“ versteckt die AfD eine rechte menschen- und islamfeindliche Gesinnung.

Die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) riefen zu Demonstrationen auf, um das christliche Abendland zu retten. Erstaunt kann man nicht nur bei diesen Demonstrationen schwarz-rot-gold lackierte Kreuze sehen. Teile der extremen neuen Rechte und ihre intellektuellen Vordenker geben sich ganz bewusst christlich. Diese selbsternannten Verteidiger eines christlichen Abendlandes kapern das Christentum für einen Kreuzzug ohne Gott gegen die „Islamisierung“. Aus dem antirassistischen, alle Grenzen überschreitenden Christentum der Nächsten- und sogar der Feindesliebe machen sie eine deutsche Stammesreligion zur Verteidigung gegen „Fremdgläubige“. Sie nutzen zentrale Begriffe für eine diffuse Inanspruchnahme der christlichen Religion. Wenn aber die Kirchen für eine humane Migrationspolitik eintreten, dann nennt man sie einen „gottlosen Verein“, aus dem man am besten austreten soll, weil die Kirchen das Christentum nicht mehr vertreten.

Mit einer bloßen Abgrenzung gegen die AfD aber ist es indessen nicht getan. Wichtiger wäre zu verstehen, woher die Wut von so vielen, aber auch ihre Ängste vor Fremden und Migranten kommen. Die AfD hat kein Rentenkonzept, sie ist gegen den Mindestlohn und gegen sozialen Wohnungsbau. Und doch delegitimiert das die AfD nicht wirklich. Denn viele haben ein diffuses Gefühl, fühlen sich gesellschaftlich abgehängt, verunsichert oder hilflos gegenüber dem Weltgeschehen und denen da oben. Gerade rechte Konservative fühlen sich mit ihren Wertvorstellungen in einer Welt, die liberaler geworden ist, an den Rand gedrängt und auch moralisch diffamiert.

Der Vorstand der Christen in der AfD nennt die „Existenz unterschiedlicher, voneinander getrennter Völker als Abstammungs- und Blutsgemeinschaft“ einen gottgewollten Schöpfungsplan. Es macht aus der Demokratie auf der Basis von Bürgerrechten eine völkische Blutsgemeinschaft. Wer dieser nicht angehört, soll weniger Rechte und weniger soziale Teilhabe haben, auch wenn er in Deutschland lebt und arbeitet. Und wer nicht von Herkunft her Deutscher ist, wird als bloßer „Passdeutscher“ abgetan. Die AfD will Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung, sie will geflüchtete Menschen absondern, aussondern oder gar millionenfach abschieben. Ein völkischer Nationalismus, der das Volk als eine Gemeinschaft von ethnisch und kulturell Gleichen versteht, zerstört das Zusammenleben in einer Demokratie an ihrer Wurzel. Deshalb sagt der frühere Ratsvorsitzende der EKD Heinrich Bedford-Strohm: „Nationalismus ist eine Erscheinungsform von Sünde.“ Wenn die Kirchen einhellig und einstimmig Widerstand gegen solche Absichten leisten, ist das vorbildlich. „Völkisch-nationale Gesinnungen sowie demokratiefeindliche bzw. demokratiezersetzende Äußerungen und Verfahrensweisen weiter Teile der AfD stehen ebenfalls im Gegensatz zu zentralen christlichen Inhalten und sozialethischen Positionen der Evangelischen Kirche in Deutschland.“

Drängende Probleme wie Wohnungsnot, Kriminalität oder soziale Sicherungssysteme versteht die AfD nur als Auswirkungen der Migration. Vordringliche Herausforderungen aber wie die den Klimawandel, die Spaltung zwischen Arm und Reich oder veränderte neue soziale Realitäten im Bereich der Familie leugnet man oder glaubt, zu einer angeblich besseren Vergangenheit zurückkehren zu können.

Rechtes Denken verletzt und verleugnet die wesentlichen Grundsätze, die das christliche Menschenbild und die christliche Ethik ausmachen: die Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes, ihre Gottebenbildlichkeit, die Verpflichtung gegenüber Bedürftigen, zu denen die Fremden gehören, und die bleibende Erwählung des Volkes Israel. Zu den Ideologien von der Ungleichwertigkeit der Menschen stehen christlicher Glaube und die christliche Ethik in einem klaren und unüberbrückbaren Widerspruch. Deshalb sind christliche Ethik und neurechtes Denken, wie es in der AfD eine parlamentarische und parteipolitische Struktur gefunden hat, unvereinbar.

Es handelt sich beim Widerstand gegen rechts nicht um eine Sache, die für die Kirchen nebensächlich sein könnte. Es geht um das Kirchesein der Kirche. Denn Rechtspopulismus und Rechtsextremismus bestreiten den Kern der christlichen Botschaft: Alle Menschen sind als Gottes Ebenbilder in gleicher Würde von Gott geschaffen. 

Bei den Wahlen in diesem Jahr sollten Christinnen und Christen deshalb klare Position beziehen.

Dr. Franz Segbers, em. Professor für Sozialethik, Universität Marburg