Erwin Eckert, Antifaschismus. Frieden. Demokratie. Reden und Texte (1945-1959)

Rezension –  geschrieben von Ulrich Schneider aus Informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945, Nr. 95, März 2022, 46. Jg., S. 43.
Erwin Eckert, Antifaschismus. Frieden. Demokratie. Reden und Texte (1945-1959), Hrsg. von Friedrich-Martin Balzer, 2 Bde., Essen: Neue Impulse Verlag, 2021, 39,60 €

Erwin Eckert – ein christlicher Kommunist

Ein ehemaliger Pfarrer als Spitzenkandidat der KPD in Baden-Württemberg? Schon bei dieser Kombination müsste sich jeder zeitgeschichtlich Interessierte bren­nend für das neue zweibändige Werk interessieren, das der Marburger Historiker Friedrich-Martin Balzer als „Schlusspunkt“ seiner jahrzehntelangen Beschäfti­gung mit dem Wirken des ehemaligen evangelischen Pfarrers und späteren Kommunisten Erwin Eckert nun vorgelegt hat. Da seine frühere Landeskirche Eckert lange Jahre verdrängt hatte und mit dem KPD-Verbot auch die Beschäftigung mit einem Kommunisten in der alten BRD nicht gerade geschichtswissenschaft­licher Mainstream war, betrat Balzer in vielfacher Hinsicht Neuland, fand aber in der Fachwelt und der Öffentlichkeit zunehmend Gehör, wie seine knapp 50 Veröffentlichungen zu Eckert zeigen. Anlässlich des 50. Todestages von Erwin Eckert (1893-1972) veröf­fentlichte er nun auf über 800 Seiten Texte und zahl­reiche seiner Reden aus den Jahren 1945 bis 1960.

Erwin Eckert war Pfarrer der Badischen Landeskirche, Anhänger der Religiösen Sozialisten und trat 1931 in die KPD ein, wo er vernehmlich vor dem Aufstieg der NSDAP warnte. In der NS-Zeit mehrere Jahre „wegen Vorbereitung zum Hochverrat“ in Haft, später unter Gestapo-Aufsicht wirkte dieser christlich geprägte Kommunist nach der Zerschlagung des NS-Regimes ungebrochen für einen antifaschistisch-demokrati­schen Neubeginn. Er war nicht nur im Südwesten eine der populärsten Persönlichkeiten der westdeutschen kommunistischen Bewegung, was z. B. die guten Wahlergebnisse für die KPD in seinem Wahlkreis Mannheim zeigten. Das lag sicherlich auch an der Unterstützung in Baden für einen antifaschistischen Neubeginn, worüber Gert Meyer in seinem Exkurs zu den „Einigungsbestrebungen zwischen Sozialdemo­kraten und Kommunisten in Südbaden nach 1945“ schreibt.

In diesem Umfeld setzte sich Eckert mit großem Engagement und rhetorischem Geschick für die For­derungen aller Antifaschisten ein: für die Umsetzung der Potsdamer Beschlüsse, eine demokratische Boden­reform, soziale und betriebliche Rechte, für Entschä­digung und die Lösung der Wohnungsfrage. Selbst um den Erhalt von Naturschutzgebieten und kultur- ­und kunstgeschichtlich wertvolle Bauten machte er sich Gedanken. Sein öffentliches Auftreten für antifaschistische und sozialistische Ziele brachte ihn in Widerspruch zu den restaurativen politischen Kräften, die den Weg der Weststaaten-Gründung, der Renazifizierung und Remilitarisierung beschritten. Wie schon in der Weimarer Republik geriet Erwin Eckert in das politische Fadenkreuz und des Ver­fassungsschutzes. Sein einziger Schutz war, dass er als gewählter KPD-Abgeordneter die Tribüne des Landtages nutzen konnte, um Denunzia­tionen wie die „Aktentaschen-Affäre“ oder die „Aktion Vulkan“, die im Auftrag des Adenauer-Kabinetts den Ost-West-Handel zwischen BRD und DDR behindern sollte, öffentlich zu entlarven. Am 27. Juli 1954 stellte er im Landtag von Baden-Württemberg die bis heute aktuelle Frage: „Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?“

Bis zuletzt protestierte Eckert im Parlament gegen Angriffe auf die KPD und andere demokratische Organisationen und gesellschaftliche Kräfte, die sich der Remilitarisierung entgegenstellten. Denn aus­gehend von der Überzeugung „Nie wieder Krieg!“ bekämpfte Eckert leidenschaftlich alle Bestrebungen zur Remilitarisierung. Selbst wenn ihm von der CDU entgegengehalten wurde, dass die BRD angeblich keine Wiederbewaffnung plane und das Thema außer­dem gar nicht in die Kompetenz des Landtages falle, ließ er sich – trotz Ordnungsrufen und Störfeuern von anderen Parlamentariern und selbst einer drohenden Anklage wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ 1955 – nicht davon abhalten, die Friedensforderungen zu Gehör zu bringen. Als er 1956 aus dem Landtag ausschied, engagierte er sich weiterhin im Friedens­kampf. In einem umfangreichen Grundsatzreferat auf den Friedenskongress 1958 in Dortmund antwortete er auf die Frage „Was können, was müssen wir tun, um den Frieden zu erhalten?“. Da er nun nicht mehr die Abgeordneten-Immunität besaß, wurde er für dieses Engagement im April 1960 zu neun Monaten Gefängnis (auf Bewährung) verurteilt.

Die im zweiten Teil veröffentlichten über 100 Reden und Texte von Erwin Eckert sind ein lebendiges Spie­gelbild des antifaschistischen Neuanfangs und der frühen Jahre der alten BRD. Sie zeigen einerseits die Forderungen und Hoffnungen der antifaschistischen Kräfte für einen Neubeginn, andererseits, wie der antikommunistische Furor das gesellschaftliche Leben durchzog und unter welchen schwierigen Bedingun­gen und mit welcher persönlichen Überzeugungskraft linke Politik möglich war. Für dieses hervorragend eingeleitete Material sei dem Herausgeber gedankt.