Teil III – Theologische Reflexion
Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar
4. Theologische Reflexion
Das Ökumenische Netz ist verwurzelt in der jüdisch-christlichen Tradition und darin mit den christlichen Kirchen als Orten verbunden, in denen diese Tradition lebendig ist. In Teilen der Kirchen findet sie heute auch darin ihren Ausdruck, dass sie als Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung gelebt wird. Obwohl Reformierter Weltbund und Ökumenischer Rat der Kirchen mit dem Processus Confessionis seit Mitte der 1990er Jahre einen Prozess angestoßen hatten, in dem das Bekenntnis des Glaubens im Kontext der globalen Zerstörungsdynamik des Kapitalismus formuliert werden sollte und obwohl Papst Franziskus die Überlebensprobleme der Menschen und der Schöpfung mit deutlicher Kritik am Kapitalismus verbindet, sind die Kirchen in Deutschland vor allem mit ihren eigenen Überlebensproblemen beschäftigt. Sie versuchen, sich als ‚unternehmerische Kirchen‘ über die Runden zu retten, die ihre spirituellen und pastoralen Angebote auf die religiösen und sozialen Marktlagen hin orientieren. Dies treibt sie zur Anpassung an die kapitalistischen Verhältnisse und ihren postmodernen Kulturalismus. Sie wollen sich auf den bunt blühenden esoterischen Spiritualitäts- und Therapiemärkten behaupten. Event- und Erlebnisangebote treten in den Vordergrund. Esoterisch-religiös aufgeladene Wellness-Angebote sollen Menschen vom Leistungs- und Selbstbehauptungsstress entlasten, Abstiegsängste lindern. Und auch in Fällen des Scheiterns stehen die Kirchen bereit, ihre Kompetenzen im Umgang mit Kontingenzbewältigung anzubieten, haben sie doch Erfahrungen im Umgang mit Scheitern und Neubeginn.
Nicht, dass die Kirchen sich um Menschen in schwierigen Lebenssituation kümmern, ist das Problem, sondern dass sie dabei recht konsequent den gesellschaftlichen Kontext ausblenden und auf eine gesellschaftskritische Reflexion verzichten. Sie ist ja auch hinderlich, wenn es darum gehen soll, die eigenen religiös-pastoralen Angebote als unmittelbar alltagstauglich und nützlich, als anschlussfähig an die unmittelbaren therapeutischen und spirituellen Bedürfnisse anzupreisen. Damit aber gehen sie an der gesellschaftlich vermittelten Lebenswirklichkeit von Menschen vorbei, die ohne gesellschaftskritische Reflexion nicht zu verstehen ist. Im Vordergrund steht dabei nicht – wie immer wieder behauptet – ‚der Mensch‘. Es geht vielmehr um den Versuch der Kirchen, sich angesichts wachsender Bedeutungslosigkeit als relevant zu behaupten. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass gesellschaftskritische ebenso wie kritische theologische Reflexion in den Kirchen zunehmend marginalisiert werden. Sie stehen den Interessen der Kirchen an ihrer Selbstbehauptung durch Anpassung an postmodernen Kulturalismus entgegen, der seinen Höhepunkt eher schon überschritten hat, und die Kirchen in ihrer peinlichen Suche nach Anschluss an die ‚Höhe der Zeit‘ wieder einmal zu spät kommen lässt.
Neben diesen Tendenzen zur postmodernen Anpassung ist eine scheinbar gegenteilige Strömung nicht zu übersehen. Sie sucht das Heil in der fundamentalistischen Sicherung des Glaubens in zeitlosen Wahrheiten, die vermeintlich durch Bibel und/oder Tradition unverrückbar vorgegeben sind. In fundamentalen (Heils-)Gewissheiten bieten sie Identität, Sicherheit und Halt für von der Pluralität von Lebensformen und Meinungen verunsicherte Individuen. Sie finden sich vor allem in den Bewegungen der Evangelikalen auf evangelischer wie in den sog. ‚Neuen Geistlichen Bewegungen‘, die sich der Neuevangelisierung verschrieben haben, auf katholischer Seite. Erschreckend ist, dass ein Teil sich politisch in der Nähe zu rechtsextremen Bewegungen befindet, bzw. sie offen unterstützt. In ihnen sehen sie Bewegungen, die alles plurale Chaos durch Rückkehr zu einer ursprünglichen und überzeitlichen Ordnung überwinden können. Auch die sog. religiösen Bewegungen verzichten nicht auf ‚Unternehmerisches‘. Im Gegenteil, sie wollen Massen erreichen und setzen dabei aufmodernste Mittel medialer Inszenierung und Eventisierung. Die eher liberal erscheinende Tendenz zur Esoterisierung des Glaubens ist mit der autoritären, auf die unmittelbare Autorität des Wortes der Bibel und/oder der kirchlichen Autorität setzenden Bewegungen auch darin verbunden, dass sie sich beide der kritischen Reflexion entziehen. Für die einen haben Erfahrung und alltägliche Relevanz, für die anderen die durch Bibel und kirchliche Autorität verbürgte Wahrheit das ‚letzte Wort‘. In scheinbaren Gegensätzen stehen sich Varianten des Fundamentalismus gegenüber.
4.1 Von Gott sprechen mit Blick auf die Leidenden
Wenn die Inhalte, die mit dem Gottesnamen verbunden sind, zur Geltung gebracht werden sollen, geht das nicht ohne eine kritische theologische Reflexion, die sich heute mit der Kritik der kapitalistischen Krisengesellschaft verbindet, die den Menschen die Lebensgrundlagen entzieht, sie in Selbstoptimierungswahn treibt, der immer neue, eigenverantwortlich zu erbringenden Anpassungsleistungen erzwingt, und Menschen so überfordert, dass sie ausgebrannt und depressiv werden.
Mit dem Rücken zu denen, die unter dem Unrecht und der Gewalt der Verhältnisse leiden, von Gott zu reden, geht an den Inhalten vorbei, die mit der biblischen Rede von Gott verbunden sind. Der Gottesname steht weder für eine zeitlose Wahrheit noch für die zeitlose Suche nach individuellem Glück noch für eine abstrakte Kontingenzbewältigung. Die Rede von Gott, wie sie sich in der jüdisch-christlichen Tradition artikuliert, ist eingebettet in den Schrei nach Rettung aus dem Erleiden von Unrecht und Gewalt in verschiedenen Systemen von Herrschaft. Er reicht von den Schreien aus dem Sklavenhaus in Ägypten, über die Schreie der unter Israels Königen Leidenden, den Schreien der nach Babylon Verschleppten, den von griechischer und römischer Herrschaft Unterdrückten bis hin zum Schrei des Messias am Kreuz. Diese Schreie sind Ausdruck dafür, dass Menschen sich mit der Herrschaft, unter der sie leiden, nicht abfinden und ihr Einverständnis verweigern. Sie sind verwurzelt in einer Tradition, die das Vertrauen stärkt, dass Gott das ‚letzte Wort‘ spricht – ein Wort des Gerichts über alle Herrschaft, die Menschen tötet, erniedrigt und beleidigt, und ein Wort der Rettung, das vor allem den Opfern von Unrecht und Gewalt gilt. Darin gründet die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde für alle.
4.2 Compassion und Erinnerung
Verwurzelt in dieser Hoffnung hat der Messias Jesus gelebt, war solidarisch mit den Opfern der römischen Herrschaft und hat ihr bis hinein in seine Hinrichtung am Kreuz der Römer widerstanden. So steht er in der Reihe all derer, die sich – solidarisch mit den Opfern – Systemen der Herrschaft widersetzt haben und bis heute widersetzen. Wenn wir als Christ*innen Jesu Auferstehung bekennen, tun wir es, weil wir darauf vertrauen, dass Gott in Jesus gegenüber dem gekreuzigten Messias sein rettendes und richtendes Wort gesprochen hat, das auch all den anderen gilt, die wie er Opfer sind und sich gegen Unrecht und Gewalt eingesetzt haben. Damit hat Gott ihm und allen recht gegeben, die sich der Herrschaft von Menschen und Systemen widersetzten. Er hat Roms Herrschaft und mit ihr alle Herrschaft ins Unrecht gesetzt. Dennoch ging die Herrschaft Roms weiter und mit ihr die Verfolgung all derer, die sich ihr widersetzten. Diejenigen, die sich dem Messias Jesus anschlossen, taten das in dem Vertrauen darauf, dass Israels Gott wenigstens an seinem Messias hat Wirklichkeit werden lassen, was für alle noch aussteht: Befreiung aus dem Unrecht und der Gewalt gesellschaftlicher Herrschaft und das Leben im Reich Gottes als einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Darin fanden sie die Widerstandskraft, wenigstens im Leben in ihren messianischen Gemeinden – in aller Gebrochenheit – vorweg zu nehmen, was sie für alle Menschen erhofften. Das war die Triebfeder für ihre Sendung, ihre ‚Mission‘: Allen Völkern sollte der Zugang zu der Hoffnung auf das Ende der römischen Herrschaft und das Ende aller Herrschaft ermöglicht werden; alle sollten die Kraft finden, der römischen Herrschaft die Loyalität zu verweigern und jetzt in messianischen Gemeinden zu leben, in denen die Über- und Unterordnungsverhältnisse überwunden sind und das gilt, was Paulus als altes Taufbekenntnis überliefert hat: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus“ (Gal 3,27f).
Wenn wir heute an diese Traditionen anknüpfen, tun wir das weder in der Sicherheit eines verblüffungsfesten Heilstriumphalismus, der sich durch das fortwährende und sich in unserer Gegenwart bis hin zur Katastrophe zuspitzende Leid nicht irritieren lässt, noch suchen wir Erleichterung und Lebensglück in esoterisch-frömmelnder Spiritualität. Die jüdisch-christliche Tradition ist uns wichtig, weil in ihr die Erinnerung an die menschliche Leidensgeschichte lebendig ist und zugleich die Verheißungen, die mit der Rettung aus den Sklavenhäusern der Geschichte und der Auferweckung des gekreuzigten Messias verbunden sind. Weil wir deren Verwirklichung für alle vermissen, hören wir nicht auf, nach Gott und der Verwirklichung seiner Verheißungen zu fragen. Diese Fragen widerstehen den Versuchungen zu fundamentalistischer Selbst- und Heilsgewissheit. Sie machen unruhig und lassen sich durch keine religiöse Medizin beruhigen. Sie finden erst zur Ruhe, wenn Gott seine Verheißungen für alle in einem neuen Himmel und einer neuen Erde, in der Auferstehung der Toten wahr gemacht hat.
4.3 Reden von Gott
Das so verstandene Reden von Gott und Fragen nach Gott hat für uns in der gegenwärtigen Situation eine dreifache Bedeutung:
- Reden von Gott schafft erstens eine kritische Distanz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, wie sie ist, und bringt zum Ausdruck, dass wir nicht einverstanden sind mit der Herrschaft, unter der Menschen leiden. Das ist aber nur dann keine abstrakte Weltdistanz, wenn uns das, was Menschen heute erleiden, ‚zu denken‘ gibt und sich mit einer Gesellschaftskritik verbindet, die die abstrakte Herrschaft des Kapitalismus analysiert und negiert – und so eine notwendige Bedingung seiner Überwindung schafft. Theologie als kontextuelle Frage nach Gott ist von Gesellschaftskritik und der Suche nach Befreiung nicht zu trennen.
- Reden von Gott impliziert zum zweiten die Unterscheidung zwischen Gott und Götzen. In den biblischen Traditionen gilt etwas als Götze, das sich Menschen geschaffen haben und dem sie sich unterwerfen, um Rettung zu erfahren. Die Sehnsucht, doch wieder Verhältnisse der Herrschaft wie in Ägypten zu restituieren bzw. sich fremder Herrschaft zu unterwerfen, wird in der Bibelals Götzendienst kritisiert. Er ist Verrat an Israels Gott, dessen Name die Befreiung von Herrschaft beinhaltet. Heute haben wir uns mit der Herrschaft des Kapitalismus auseinanderzusetzen. Mit ihm sind wir nicht einfach mit einzelnen Götzen wie Markt, Geld, Arbeit, Wachstum o.ä. konfrontiert, sondern mit dem Fetischzusammenhang der abstrakten Herrschaft des Kapitals und seiner abgespaltenen, reproduktiven Momente. Sie konstituiert gesellschaftliche Verhältnisse, die den gesamten Globus dem abstrakten Selbstzweck der Vermehrung des Kapitals um seiner selbst willen unterwerfen und die alle reproduktiven Momente abspalten. Dabei wird das konkrete Leben von Menschen samt allem stofflichen Reichtum diesem Fetischzusammenhang geopfert. Nicht einfach „diese Wirtschaft tötet“, wie Papst Franziskus formuliert hatte, sondern die abstrakte Herrschaft dieses Fetischzusammenhangs tötet und muss überwunden werden.
- Reden von Gott artikuliert sich zum dritten als Einspruch gegen geschlossene Immanenz. Sie stellt Systeme der Herrschaft unter den Vorbehalt ihrer Überwindung. Insofern beinhaltet die Rede von Auferstehung die Öffnung der Gräber geschlossener Immanenz, in die Menschen eingeschlossen sind. Solche Auferstehung geschieht nicht erst nach dem Tod, sondern in der Geschichte. In der Geschichte stehen Menschen gegen die Verhältnisse und ihre Abgeschlossenheit auf. Ein Beispiel ist der blinde Bartimäus (Mk 10,46-52). In seiner Blindheit schreit er nach Jesus, dem „Sohn Davids“ (V. 46), von dem er erwartet, als „Sohn Davids“ werde Jesus das davidische Großreich wiederherstellen. Jesus ist aber nicht als Herrscher gekommen, sondern um Herrschaft zu überwinden. Genau das begreift Bartimäus. Auf die Aufforderung „steh auf, er (Jesus) ruft dich“ – so heißt es bei Markus – „warf er seinen Mantel weg … und lief zu Jesus“ (V. 49f). Der Mantel symbolisiert die Hoffnung auf die Wiederherstellung des davidischen Königtums. Bartimäus muss sie wegwerfen, sie transzendierend überwinden. So kann seine Blindheit geheilt werden, und er kann Jesus auf seinem Weg des Widerstands gegen Herrschaft folgen.
4.4 Doppeltes Transzendieren
Der Kapitalismus begegnet uns als ein Herrschaftssystem, zu dem es keine Alternative zu geben scheint. Wer leben will, kann das nur, wenn er/sie sich seiner Herrschaft unterwirft. Der Kapitalismus kennt kein Transzendieren, kein Überschreiten seiner Grenzen. In ihm verschmelzen Transzendenz und Immanenz zu einem geschlossenen Herrschaftssystem, das selbst angesichts der von ihm produzierten Überlebenskrise keine Alternative zulassen kann. Mit ihm scheinen Menschen – auch große Teile der Kirchen – so verschmolzen, dass sie sich in ihrer Blindheit eher die vollständige Zerstörung des Globus vorstellen können als ein Leben ‚jenseits‘ der tödlichen Fetischverhältnisse des Kapitalismus. Der Glaube an Gott als Einspruch gegen geschlossene Immanenz öffnet den Blick dafür, geschlossene Immanenz zu erkennen und nach Wegen ihrer Überwindung zu suchen. Ein erster Schritt dazu könnte es sein, den Ballast illusionärer Träume abzuwerfen, irgendwie ließe sich der Kapitalismus doch noch regulierend wiederherstellen und dann könne es in seiner Immanenz doch noch, vielleicht sogar etwas sozialer und ökologischer, weitergehen.
Der Einspruch gegen geschlossene Immanenz richtet sich auch gegen die kirchlichen Versuche, an postmoderne Religions- und Spiritualitätsfreudigkeit anschlussfähig zu werden, in der die kapitalistischen Verhältnisse klag- und kritiklos vorausgesetzt werden. Sie sucht in der geschlossenen Immanenz des Kapitalismus lediglich nach entlastenden Erfahrungen und immer neuen Erlebnissen, die in Events angeboten werden. Dabei darf die Unmittelbarkeit von Erfahrung und Erlebnis weder durch das Leid der anderen irritiert noch durch kritische Reflexion desillusioniert werden. So bleibt die geschlossene Immanenz des kapitalistisch-patriachalen Götzen unangetastet und privatisierte Frömmigkeit ihm dienstbar und ergeben. Der Einspruch gegen geschlossene Immanenz ist ebenso auf die Bewegungen zu beziehen, die sich in der Zeitlosigkeit des Wortes der Bibel und/oder einer traditionellen durch die kirchliche Autorität verbürgten Wahrheit einschließen, die zeitlos und unvermittelt mit den gesellschaftlichen Verhältnissen gelten soll.
Der Einspruch gegen geschlossene Immanenz hat eine doppelte Dimension. Sie zielt auf das Überwinden geschlossener Systeme und Grenzen in der Geschichte – heute auf das Überschreiten des geschlossenen und tödlichen Systems des in die Katastrophe treibenden ‚warenproduzierenden Patriarchats’ –, aber auch auf das Überschreiten der Grenzen des Todes als Hoffnung auf die Rettung der Opfer von Unrecht und Gewalt und darin aller Menschengeschwister. Auch die Geschichte als Ganze kann bei Gott kein geschlossenes Grab bleiben. Wenn gilt, was er mit seinem Namen versprochen und in seinem Messias hat Wirklichkeit werden lassen, dann kann er auch die vergangenen Leiden nicht auf sich beruhen lassen. Die Geschichte kann nicht gespalten bleiben in Glückliche und Unglückliche, in Sieger und Besiegte, in Gerettete und endgültig Verlorene. So hoffen wir darauf, dass Gottes rettendes ‚letztes‘ Wort auch den Toten gilt und beziehen sie ein in unsere widerständige Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Beide Wege, die geschlossenen Grenzen (transzendierend) zu überschreiten – die von Herrschaftssystemen in der Geschichte und der Geschichte als Ganzer – sind so aufeinander bezogen, dass die Hoffnung auf das endgültige Überschreiten der Grenzen der Geschichte und des Todes nicht zu haben ist ohne das geschichtliche Überschreiten der Grenzen tödlicher Systeme in der Geschichte.
4.5 Erinnerung des Leidens als Prozess des Bekennens
Wie im Bekenntnis des Glaubens, das der Taufe vorausgeht, deutlich wird, setzt das ‚Ich glaube‘ das ‚Ich widersage‘ voraus. Glaube an Gott geht nicht ohne Widerstand gegen Verhältnisse, die im Widerspruch stehen zum Glauben an Gott, an seinen Messias und den Geist der Befreiung, der von ihnen ausgeht. Daran knüpfte 1997 der vom Reformierten Weltbund und 1998 vom Ökumenischen Rat der Kirchen beschlossene ‚Processus Confessionis‘ (Prozess des Bekennens) an. Wir verstehen ihn als einen Prozess, in dem der Glaube an Gott als Gott des Lebens im Widerstand gegen die kapitalistische Maschinerie des Todes lebendig werden muss.
Damit in unserem Leben all das, was das Bekenntnis beinhaltet, immer wieder neu lebendig werden kann, sind Gebet und Gottesdienst, vor allem die Feier von Abendmahl und Eucharistie für uns von zentraler Bedeutung. Darin verbindet sich die Erinnerung an das Leben und den Tod Jesu sowie das Bekenntnis seiner Auferstehung mit der Erinnerung des Leidens von Menschen und ihres Schreis nach Rettung (‚memoria passionis‘)ebenso wie mit der Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, die aller Leidensgeschichte ein Ende setzt. In der Feier von Abendmahl und Eucharistie artikuliert sich das Vermissen Gottes und der Verwirklichung seines Versprechens einer messianischen Welt für alle. Zugleich ist in ihr die Hoffnung lebendig, dass Gott in der Wiederkunft seines Messias sein‚letztes‘ und endgültiges Wort der Rettung sprechen werde und Wirklichkeit werden lasse, was er mit seinem Namen versprochen hat. Bis dahin gilt es, in der Kraft des Geistes Gottes den Verhältnissen zu widerstehen und denen die Treue zu halten, die nach Rettung schreien.